Urwälder verbindet man ja gemeinhin mit tropischen Regenwäldern, Mammutbäumen, exotischen Tieren, seltenen Pflanzen und vielleicht auch Dinosauriern. Dabei sind Urwälder laut Definition schlicht "Waldgebiete mit einer natürlichen Vegetation ohne sichtbaren menschlichen Einfluss". Und die gibt es auch in Europa.
Wenn auch wenige: Laut den IFL-Kriterien gelten in Europa nur noch 6,4 % aller Waldbestände als Urwälder. Und einer davon befindet sich direkt über unseren Köpfen: Der älteste Zirbenwald der Alpen lässt sich auf dem Patscherkofel finden. "Zirmberg" daher der treffende Name für das seit 1942 unter Naturschutz stehende Patscherkofel-Glungezer-Gebiet. Das Landschaftsschutzgebiet Patscherkofel-Zirmberg erstreckt sich über eine Fläche von 15,88 km² und reicht von 1.550 bis auf 2.745 m. Die höchste Stelle des markanten kahlen „Kofels“ selbst liegt bei 2.246 Metern Seehöhe.
Das Gebiet ist geprägt von ausgedehnten Zirbenurwäldern – die alpine Waldgrenze lässt sich beim Blick vom Tal auf den Berg bestens identifizieren, großen Latschenbeständen, alpinen Rasenflächen und Blockschuttfeldern sowie voreiszeitlichen Talresten und wilden Gneisgraten. Hier findet man nicht nur eindrucksvolle Landschaftsformen, sondern auch eine Fülle an Pflanzenarten, die sogar der Eiszeit trotzen konnten: Der eiszeitliche Inngletscher reichte einst bis über 2.150 Meter. Gerade die Ursprünglichkeit des Waldes konnte über Jahrtausende bewahrt werden, sodass man heute beim Besuch der "Königin der Alpen", wie die Zirben genannt werden, durchaus von einer kleinen Zeitreise am Patscherkofel sprechen kann.
Sich die dicke Eis- und Schneeschicht aus vergangenen Zeiten bildhaft vorzustellen ist heute gar nicht mehr so leicht. Denn gerade mit dem Frühling und Sommer herrscht ein emsiges Treiben rund um den Patscherkofel. Bienen, Schmetterlinge und Käfer schwirren durch die Luft, das Grün des weichen Grases ist bunt getupft mit kleinen Alpenblumen und dieser aromatische Zirbenduft – einfach herrlich. Da heißt es tief durchatmen, den Moment genießen und beim Blick von oben auf Innsbruck den Alltag einfach einmal hinter sich lassen.
Es gibt ihn also tatsächlich, den Urwald über Innsbruck!