Im Mittelgebirge rund um den Patscherkofel sowie auch weiter im Unterinntal war das Schrattl ein gefürchtetes Etwas, das jedoch kein Mensch je gesehen hat.

Es suchte sowohl Dörfer, als auch Einzelhöfe und in den Bergen liegende Almen auf. Insbesondere drückte es Kühe, sodass sie den Kopf nicht mehr in die Höhe brachten, weil ihr Rücken ganz gelähmt war, aber auch andere Gliedmaßen drückte das Schrattl lahm. Von einer derart heimgesuchten Kuh sagte man „Sie hat den Schrattldruck kriegt“. Vom Schrattl heimgesuchte Schweine streckten auf einmal alle Viere von sich und lagen wie tot da.

Auch Küniglhasen [Kaninchen] drückte es und besonders gerne die Hennen. Es gab jedoch auch Möglichkeiten, das Schrattl mittels Anbringen eines Schrattlgatters vom Hof fernzuhalten. Schrattlgatter kannte fast jeder Bauer und diese waren auch leicht zu fertigen, aus fünf schmalen, ineinandergeschobenen Spänen aus geweihtem Palmholz. So hielt es ganz von selber, ohne dass es genagelt werden hätte müssen.

Gesehen hat das Schrattl noch niemand

Wenn man kein geweihtes Palmholz zur Verfügung hatte, konnte man auch anderes Palmholz, ja sogar anderes Holz verwenden. Offensichtlich konnte das Schrattl dieses Schrattlgatter nicht leiden, denn wenn man es im Kuhstall oder auch sonst wo über der Türe aufhängte und es das Schrattl sah, so eilte es schleunigst davon, als ob es wegen des Gatterls zornig wäre. Oft wurde dem Schrattl auch nachgesagt, dass es auch andere Schäden im Stall machen würde, z.B. das Zusammenhängen zweier Kühe in eine Kette oder Vermeinungen und Verzauberungen beim Vieh. Während das Drücken von hunderten glaubwürdigen Leuten bestätigt wurde, hatte man für die anderen Schäden keine sicheren Beweise.

Gesehen hat das Schrattl jedoch niemand. Bei Tag soll es sich im dichtesten Wald versteckt haben und nur bei Nacht ausgegangen sein. Man glaubte aber, dass es ein paar Pratzen mit langen Fingern hatte, fast krallenartig, daher konnte ihm auch etwas, was er ergriffen hatte, nicht mehr entwischen. Jedenfalls war es ein mysteriöses Ding.

Aus dem Buch „Im Reich des Patscherkofel“, herausgegeben von Michael Unterwurzacher (ISBN 978-3-8391-0419-4).

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